Statt Ihnen jede Menge Informationen aufzulisten, beschreibe ich Ihnen die Geschichte eines Kunden. Vielen Dank an dieser Stelle, dass ich die Geschichte veröffentlichen darf.
Herr W., Mitte 50, ist ein mittelständischer Unternehmer in zweiter Generation mit circa 80 Mitarbeitern. Sein Vater, der Firmengründer, ist vor kurzem verstorben. Bis zuletzt war er täglich in der Firma präsent – durchaus auch zum Leidwesen seines Sohnes, denn Herr W. handelte seit knapp zehn Jahren (so lange hatte er den Betrieb schon übernommen) genau so, wie sein Vater es erwartete. Oder wie er dachte, dass sein Vater es erwartete.
Zahlenmäßig war er bisher zwar sehr erfolgreich, das war hier offensichtlich nicht das Problem. Er hatte jedoch kein Profil als Führungskraft, kein Charisma als Unternehmer, keine authentische Ausstrahlung.
Er konnte keine Stärke oder Zuversicht vermitteln und identifizierte sich auch nicht wirklich mit seinem Unternehmen. Als sein Vater noch lebte, kompensierte dieser das fehlende Profil. Sein Vater war nach wie vor die Leitfigur der Firma, Herr W. empfand ihn sogar als „omnipräsent“.
Nach dem Tod des Vaters ist Herr W. nun auf sich gestellt. Es tauchen mehr und mehr Schwierigkeiten in verschiedenen Bereichen auf.
Der Schatten des Vaters
Als er zu mir kommt, war sein Arbeitsauftrag zunächst sehr diffus. Er habe viele verschiedene Probleme, das dringendste sei jedoch, dass er sich manchmal wie ein Phantom und in seiner eigenen Firma und fehl am Platz fühle.
Seine Mitarbeiter waren immer noch sehr loyal zu seinem verstorbenen Vater, was ihm jede noch so kleine Innovation erschwerte. Spannungen und Konflikte nahmen immer mehr zu und er konnte sich nicht so genau erklären, woran das lag. Schließlich tat er doch alles genau so, wie es immer von ihm erwartet wurde. Und wie es bisher scheinbar auch gepasst hatte. Der Schatten des Vaters machte ihm den Alltag schwer.
Bereits im ersten Termin stellt Herr W. fest, dass er zwar den Führungsstil seines Vaters kopiert hat, sich damit allerdings weder wohl fühlt noch seine Ziele erreicht.
Eher im Gegenteil: nach dem Tod des Vaters stößt er bei Mitarbeitern an massive Grenzen bis hin zu offener Kritik. Und das wird langsam ein echtes Problem. Außerdem fühlt er sich seinem Vater unterlegen. Irgendwie noch wie ein kleiner Junge, sobald nur die Sprache auf seinen Vater kommt. Das macht ihn ganz konfus, wie er es beschreibt.
Wir erarbeiten dann in mehreren Terminen gemeinsam, was Herrn W. eigentlich ausmacht, denn das weiß er bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht so genau. Er lernt, was seine Mitarbeiter brauchen. Was Führung eigentlich heißt. Und wie er all das zusammen bringt. Und auch sein Verhältnis zu seinem Vater sowie sein eigenes erwachsen werden ist immer wieder Thema.
Der Durchbruch
Je bewusster Herr W. in seinen Arbeitsalltag integrieren kann, was er alles gelernt und entdeckt hat, umso loyaler reagieren nach und nach seine Mitarbeiter auf ihn.
Er gewinnt an Klarheit und Zielstrebigkeit und entdeckt sein eigenes Interesse für das Unternehmen.
Er versteht, warum seine Mitarbeiter so schlecht auf ihn zu sprechen waren. Und wie er besser führen kann, damit sie ihm genauso loyal begegnen wie seinem Vater. Gerade weil er jetzt keine Kopie mehr ist, sondern ein Original. Das ist der endgültige Durchbruch.
Sein Vater als Firmengründer hat seinen Platz in der Unternehmensgeschichte, dessen Verdienste sind unbenommen und geachtet.
Gleichzeitig ist Herr W. jetzt in der Lage, die Firma auf seine Art sehr erfolgreich in die Zukunft zu führen. Er wirkt lebendiger und mitreißend, wenn er voller Stolz von seiner Firma und seinen Plänen dafür spricht. Das steckt an – nicht nur seine Mitarbeiter. Und er überlegt jetzt schon, was er später bei seinem eigenen Ausscheiden anders machen muss, um seinem Nachfolger und seinen Mitarbeitern einen besseren Übergang zu ermöglichen als er es erlebt hat.
In der Folge gab es noch ein paar lose Mentoring Termine, die inzwischen auch nicht mehr nötig sind. Herr W. ist in seiner Rolle als Unternehmer und Führungskraft angekommen.