Was passiert mit Ihnen, wenn Sie gekränkt werden?

Wollten Sie schon mal einfach nur im Boden versinken, wenn jemand Sie verletzt hat?

Das ist Scham.

Kennen Sie das Ziehen oder Drücken in Brust oder Bauch, wenn ein geliebter oder auch nur für Sie wichtiger Mensch in einem Streit verbal auf Sie losgeht?

Das ist der Schmerz.

Oder den berühmten Moment, in dem Ihnen nichts mehr von dem einfällt, was Sie eigentlich unbedingt anbringen wollten?

Das ist die Blockade.

Kennen Sie vielleicht auch die Wut, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen?

Das ist die Aggression.

Und damit haben wir bereits alle vier Reaktionen beisammen, die IMMER bei einer Kränkung oder einem Streit ablaufen:

  • Scham
  • Schmerz
  • Blockade
  • Aggression

Je nach Persönlichkeit werden Sie wahrscheinlich den einen Punkt mehr wahrnehmen und den anderen weniger. Dennoch werden durch Kränkungen, Streit oder Konflikte immer alle vier Folgen ausgelöst.

 

Die Hintergründe

Jeder Mensch hat psychische Grundbedürfnisse:

  • wir wollen uns wenigstens zu einem Mindestmaß sicher fühlen
  • wir wollen wertgeschätzt und respektvoll behandelt werden
  • wir wollen dazu gehören
  • wir wollen wirksam sein

Wenn diese Grundbedürfnisse nun verletzt werden, wie bei einem Streit oder einer Kränkung, setzen obige Reaktionen ein.

Keine der Folgen ist dabei eine Lappalie, denn eine Kränkung trifft uns immer im Innersten. Selbst dann, wenn das nicht (mehr) bewusst wahrgenommen werden kann. Was leider weit verbreitet ist aufgrund der eigenen Geschichte, unserer Sozialisation, gesellschaftlicher Ansprüche und anderer Gründe.

Wenn Sie sich verletzt fühlen, ist das ein sehr persönliches Gefühl und kein anderer kann beurteilen, ob Sie sich zurecht gekränkt fühlen oder nicht. Denn kein anderer steckt in Ihrer Haut, mit Ihrer eigenen Geschichte als Grundlage. Diese persönliche Vorgeschichte macht den Unterschied. Deshalb reagiert auch der eine sehr schnell auf eine bestimmte Kränkung und ein anderer bei denselben Äußerungen eventuell gar nicht.

Eines ist jedoch sicher – Kränkungen sind immer Grenzverletzungen. Und es ist normal, sich dadurch geschwächt, angegriffen und verletzt zu fühlen.

Zwei Besonderheiten gibt es noch:

Die Aggression kann verschiedene Richtungen nehmen: gegen den Kränker, gegen sich selbst oder auch verschoben gegen einen unbeteiligten Dritten. Wenn der Angriff oder Streit besonders stark empfunden wird, können sogar alle drei Varianten in Kombination als Folge auftreten.

Die zweite Besonderheit findet sich im Bereich der Scham. Sobald Zeugen dabei sind, wird eine Kränkung von den meisten Menschen als wesentlich stärker empfunden als wenn nur zwei Beteiligte sich im stillen Kämmerlein zoffen. Die Scham darüber kann so tief empfunden werden, dass gefühlt nichts und niemand etwas daran ändern kann.

 

Wie äußern sich die vier Folgen?

Scham

Neben dem akuten Gefühl, im Boden versinken zu wollen, gibt es auch noch langfristige Folgen.

Zum Beispiel sinkt der Selbstwert. Denn viele empfinden es als Schande, sich selbst nicht gut genug schützen zu können. Wer sich schämt, zieht sich leichter zurück und vermeidet es soweit möglich, erneut in eine ähnliche Situation zu kommen. Zum Beispiel auch dadurch, dass man sich weitestgehend korrekt verhält, um nicht erneut aufzufallen und zum Ziel zu werden.

Außerdem steigt die Angst vor Fehlern. Wer mehr Angst hat, Fehler zu machen, tut sich auch schwerer, sich auf Neues einzulassen. Selbst die Kreativität leidet langfristig, denn kreativ ist am ehesten derjenige, der sich offen auf Neues einlassen kann.

Schmerz

Verletzt zu werden tut weh. Das finden wir schon in unserem Sprachgebrauch. Und auch diese Reaktion ist absolut logisch. Der Schmerz ist ein Warnsignal, dass etwas nicht gut für uns ist. Und damit absolut wichtig, wenn auch unangenehm.

Der seelische Schmerz hat noch viele weitere Gesichter. Seelischer Schmerz kann sich in Energielosigkeit zeigen und sich zum Beispiel als Ängste oder Depression festsetzen.

Auf der anderen Seite kann es auch sein, dass jemand sehr gefühllos oder gar sadistisch agiert. Genauer betrachtet ebenfalls absolut logisch: wer selbst nichts mehr fühlt, kann sich auch bei anderen wenig bis gar nicht einfühlen.

Sowohl Depressionen als auch fehlende Empathie sind häufig Reaktionen auf große seelische Verletzungen. Getreu dem Motto „Bloß nichts mehr fühlen…“ sind das eben zwei Wege, wie man dem inneren Schmerz ausweichen kann.

Blockade

Blackout. Gerade jetzt, wenn man sich dringend verteidigen oder etwas klarstellen möchte. Gerade dann, wenn man einen messerscharfen, klaren Verstand bräuchte. Wer nicht mit einer in allen Situationen funktionierenden Schlagfertigkeit gesegnet ist, wird das kennen.

Es kann jedoch auch weniger dramatisch ablaufen:

Sie ziehen sich einfach eine zeitlang in Ihr inneres Schneckenhaus zurück, fühlen sich niedergeschlagen oder werden auf einmal müde. All das und mehr sind im Kontext Anzeichen für eine innere Blockade, weil Ihre Bedürfnisse verletzt wurden.

Aggression

Die bekannteste Form der Aggression ist die Rache: jemand hat Ihnen etwas angetan und das soll er büßen. Der andere soll entweder dasselbe erleiden und nachfühlen oder bei besonders schlimmen Kränkungen am besten noch zusätzlich bestraft werden. Und das kann auch noch nach Jahren präsent sein.

Auch die aufwallende Wut, um sich bereits in der Situation direkt zu verteidigen, ist hier einzusortieren.

Weniger offensichtlich: Sie suchen sich Verbündete, denen Sie Ihr Leid klagen können. Um dann im besten Fall gemeinsam den Anderen abzuwerten. Auch wenn Sie den Kränker in der Folge boykottieren, ihn mehr missverstehen als notwendig, ihn „ablaufen“ lassen oder in ausgrenzende Überaktivität ausbrechen – alles Zeichen der Aggression, weil Sie gekränkt wurden.

Richtet sich die Aggression gegen unbeteiligte, schwächere Dritte, spricht man von verschobener Rache. Besonders häufig z.B. unter Geschwistern oder in hierarchischen Strukturen anzutreffen. Sie kennen bestimmt den Ausdruck „nach oben buckeln und nach unten treten“? Genau das ist damit gemeint.

Verschobene Rache kann sich auch in ein komplett anderes Feld verlagern, zum Beispiel ist der Ursprung im Büro, jedoch bekommen die Kinder am Abend die schlechte Laune ab.

Ebenfalls nicht auf den ersten Blick offensichtlich: Sie werden körperlich oder psychisch krank. Dies ist ein extrem weites Feld, deshalb beschränke ich mich hier auf diese wesentliche Aussage.

 

Und dann ist da noch die Ohnmacht

Sein Leben im Griff zu haben und Einfluß nehmen zu können, ist für die meisten Menschen ein wichtiges Grundgefühl. Bei einer Kränkung, wenn die vier Folgen stante pede ablaufen, fühlt es sich allerdings eher nach ausgeliefert sein an. Von Wirksamkeit weit entfernt.

Die erlebte Ohnmacht ist eine nicht zu unterschätzende Triebfeder für spätere Rachedynamiken, egal welcher Art. Es bedarf schon einiger Selbstreflexion und Übung, um aus der Nummer wieder auszusteigen. Und selbst dann gelingt es wohl nicht immer.

Es lohnt sich jedoch, wenigstens bewusst zu haben, was in einem abläuft. Wenn auch nur die ein oder andere Rachedynamik unterbleibt, ist schon etwas für unser aller Zusammenleben gewonnen.

 

Extremform Mobbing

Mobbing ist eine sehr extreme und andauernde Form von Kränkungen, die massiv Ihre psychische und körperliche Gesundheit angreift.

Bei Mobbing steht Ihr gesamtes System unter Stress, die oben beschriebenen Folgen laufen quasi in Dauerschleife. Aggressionen richten sich hier zusätzlich häufig gegen sich selbst. So geschwächt wird es immer schwieriger, aus dieser toxischen Situation auszusteigen.

Sollten Sie Mobbing erleben, holen Sie sich bitte jede Hilfe, die Sie kriegen können und Ihnen gut tut.

 

Kränkungen in Familienunternehmen

Kränkungen gibt es überall. In Familien genauso wie am Arbeitsplatz.

Fällt beides zusammen wie bei Familienunternehmen, kann es ganz schön komplex werden. Viele Familienunternehmer „behelfen“ sich damit, dass sie versuchen, jegliche Emotion aus dem Unternehmen rauszuhalten.

Das kann jedoch nicht die Lösung sein.

Denn im Extremfall wird dadurch alles eintönig. Wie wollen Sie dann noch die Leidenschaft spüren für das, was Sie tun?

Gegenseitiges Verständnis, echtes Interesse aneinander und fortwährender Austausch helfen Ihnen wesentlich mehr, einerseits verbindlich und ehrlich auf persönlicher Ebene zusammen zu stehen und andererseits gemeinsam im Business erfolgreich zu sein. Möglichst ohne Kränkungen.

 

Fazit

Wenn jemand Sie kränkt und verletzt, passiert also eine ganze Menge automatisch in Ihnen. Und das völlig unabhängig davon, ob Ihre Partnerin oder Ihr Chef, Ihre Tochter oder Ihr Kunde der Kränker ist. Oder ob Sie denken, Sie könnten die Folgen mit ein bisschen Disziplin und Logik im Griff behalten.

Von selbst verschwinden außerdem die meisten Folgen daraus nicht.

Sie können jedoch für sich und Ihr Wohlergehen sorgen. Wenn Sie dabei Unterstützung benötigen, rufen Sie mich gerne an.